Wir brauchen eine Aufklärung über die Risiken der natürlichen Geburt

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Dr. Roland Uphoff vor einer Wand mit Akten

Seit längerer Zeit wird in der gynäkologischen und geburtshilflichen Literatur darauf hingewiesen, dass die Risiken der natürlichen Geburt für die Mutter stärker beachtet werden müssen. Es geht dabei in erster Linie um das Risiko mütterlicher Beckenbodenschädigungen, die mit der vaginalen Geburt verbunden sind. Diese Schädigungen können lebenslange Auswirkungen haben und die Lebensqualität betroffener Frauen ist zum Teil massiv eingeschränkt.

Die medizinrechtliche Sicht

In einem Vortrag im Rahmen des 15. Intensivkurses Pränatal- und Geburtsmedizin in Aachen habe ich online zu diesem Thema referiert und den teilnehmenden Gynäkologen und Geburtshelfern dargestellt, dass auch aus meiner medizinrechtlichen und medizinethischen Sicht mögliche Risiken und Folgeschädigungen bei der werdenden Mutter mehr Beachtung finden müssen. Es gibt aus medizinischer Sicht gewisse Parameter (beispielsweise Frauen mit einer Körpergröße von weniger als 1,60 m und einem geschätzten kindlichen Geburtsgewicht von über 4.000 g; lange und verzögerte Geburten mit Belastung des Beckenbodens), die vor der Entbindung mit der werdenden Mutter besprochen werden müssen.

Bisher hat die obergerichtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausschließlich darauf hingewiesen, dass mit der werdenden Mutter die Risiken einer Vaginalgeburt dann besprochen werden müssen, wenn für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen. Beckenbodenschädigungen durch die natürliche Geburt werden dagegen als allgemeines Risiko der werdenden Mutter und gerade nicht als „Behandlungsrisiko“ angesehen.

Diese Auffassung ist aus meiner Sicht unvollständig und vernachlässigt völlig die berechtigten Interessen der vor der Geburt stehenden Frauen. Bei Konstellationen, in denen das Risiko von schweren und nachhaltigen Beckenbodenschäden höher ist als im Normalfall, muss aus meiner medizinrechtlichen Sicht auch hierüber aufgeklärt werden. Die verschiedenen Entbindungsmethoden (natürliche Geburt, Kaiserschnitt) müssen dann mit der werdenden Mutter erörtert werden.

Was sich ändern muss

Bisher liegt noch keine obergerichtliche Rechtsprechung vor, die eine derartige Aufklärungspflicht des Gynäkologen oder Geburtshelfers fordern. Dennoch habe ich bei meinem Vortrag unter Hinweis auf die medizinische Literatur klargestellt, dass bleibende Beckenbodenschäden als Geburtsfolgen für eine Frau lebensverändernd sind und ernst genommen werden müssen. Wenn die individuelle medizinische Situation eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für solche Schädigungen bei einer natürlichen Geburt zeigt, so die werdende Mutter über diese Risiken aufzuklären und die Möglichkeit einer Kaiserschnittentbindung zu besprechen. Nur so können die betroffenen Frauen wirklich eine Entscheidung unter Abwägung aller Informationen treffen.

Bereits 2019 habe ich dieses Thema ausfürlich in einem Fachartikel behandelt. Den vollständigen Artikel aus der Zeitschrift Der Gynäkologe können Sie hier nachlesen.

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht