Die barrierefreie Immobilie im Schadensersatzrecht
Die Eltern von geburtsgeschädigten Kindern müssen oftmals feststellen, dass ihre bisherige wohnliche Lebenssituation nicht ausreicht, um den mit zunehmenden Alter steigenden Lebens-, Pflege- und Therapiebedürfnissen ihres Kindes angemessen gerecht zu werden. Daher geht es in Schadensersatzprozessen neben dem Schmerzensgeld und den Kosten für Heil- und Therapiemaßnahmen auch oftmals um die Frage der Kostentragung für die entsprechenden wohnlichen Veränderungen.
Nach dem deutschen Schadensersatzrecht hat der jeweilige Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das Schädigungsereignis nicht eingetreten wäre. In der Praxis tritt an die Stelle des Schädigers oftmals dessen Haftpflichtversicherung.
Im Falle eines irreparabel geburtsgeschädigten Kindes ist diese Wiederherstellung faktisch nicht möglich. Daher tritt an diese Stelle der Anspruch des Kindes auf Geldersatz bezüglich des behinderungsbedingten Mehraufwandes. Hierunter fallen auch die anfallenden Mehrkosten für das Wohnen.
Welche Möglichkeiten der wohnlichen Veränderung bestehen?
Die Behinderung des Kindes erfordert besondere häusliche Einrichtungen, neben den entsprechenden Bad- und Rauminstallationen (z.B. Handläufe, Treppen- sowie Deckenschienenliften, Automatiktüren, Fußbodenheizung, etc.) besteht in der Regel auch ein behinderungsbedingter Flächenmehrbedarf, z.B. durch breitere Türen und Rangierflächen für den Rollstuhl, zusätzliche Räume für Therapien und/oder die Unterbringung von Pflegepersonen, etc.
Um der Lebenssituation des Kindes und der pflegenden Eltern wohnlich gerecht zu werden, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung:
- Ein Umzug in eine behindertengerechte Mietwohnung,
- Der Umbau einer im Eigentum stehenden Wohnung bzw. eines Hauses,
- Der Neubau einer behindertengerechten Immobilie.
Welche Kosten werden übernommen?
Grundsätzlich trägt der Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherer nur die schadensbedingten Mehrkosten des Betroffenen. Art und Umfang des Mehraufwandes werden an der bisherigen konkreten Lebensführung bemessen. Luxus- oder Modernisierungsmaßnahmen werden nicht übernommen. Daher ist generell bei der Auswahl der Maßnahmen und Anschaffungen das Maß im Auge zu behalten. Es sollte der „mittleren Art und Güte“ entsprechen. Es muss daher auch nicht zwingend die billigste Variante von dem Geschädigten akzeptiert werden.
Diesen trifft allerdings die sogenannte „Schadensminderungspflicht“, der Geschädigte sollte daher vor der Durchführung von Maßnahmen verschiedene Angebote einholen und vergleichen.
Der Umzug in eine (andere) Mietwohnung
Hier ergeben sich aus juristischer Sicht die wenigsten Probleme, da die Differenz bzw. Mehrkosten für die größere Wohnung konkret und eindeutig ermittelt werden können. Auch die Umzugskosten werden vom Schädiger, bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu übernehmen sein, soweit ein Umzug nicht ohnehin erforderlich gewesen wäre.
Der Umbau einer im Eigentum stehenden Immobilie
Hier ist das Kostenvolumen ist in der Regel am größten. Aufgrund der dauerhaften baulichen Veränderungen der Immobilie können größere Probleme entstehen. Es empfiehlt sich eine umfangreiche Planung durch ein qualifiziertes Bauunternehmen bzw. spezialisierte Architekten vorzunehmen und den Haftpflichtversicherer gegebenenfalls auch in diese Planungen miteinzubeziehen.
Die Umbaukosten können in als Schaden geltend gemacht werden, soweit sie anteilig auf das Kind entfallen. Eine durch den Umbau bedingte Wertsteigerung der Immobilie wird jedoch auf den erstattungsfähigen Betrag angerechnet. Erleidet die Immobilie eine Wertminderung in Folge des Umbaus, so wäre im Gegenzug dieser Betrag vom Schädiger zu ersetzen.
Der Neubau einer Immobilie
Die Planung und Umsetzung sollte von einem qualifizierten Architekten unter Beachtung der einschlägigen DIN Normen (dies ist auch bei einem Umbau empfehlenswert) geschehen.
Auch hierbei sind vom Schädiger nur die Kosten zu ersetzen, die anteilig auf das geschädigte Kind entfallen. Auch eine Wertsteigerung wird angerechnet.
Bei Einsatz eines qualifizierten Architekten wird dieser in der Planungsphase bereits die Mehrkosten separat ausweisen.
Für die Praxis
Bereits in der Planungsphase sollte nach Möglichkeit Kontakt mit dem jeweiligen Haftpflichtversicherer aufgenommen werden.
Ist ein Um- oder Neubau geplant, sollte ein qualifizierter Architekt die Planung und Ausführung übernehmen und die Mehrkosten jeweils separat erfassen, dies erleichtert die spätere Auseinandersetzung mit dem Versicherer enorm.
Auch sollte dieser bereits in die Planungen einbezogen werden, so können vorab ein Sachverständigengutachten eingeholt werden und eine spätere Auseinandersetzung verhindert oder vereinfacht werden. Auch verfügen Versicherer über ein Netzwerk von versierten Fachleuten und sog. Reha-Manager, die wertvolle Impulse liefern können.
Besonders bei dem Lebensbereich des Wohnens sind langwierige und schwierige gerichtliche Auseinandersetzungen belastend und nicht immer zweckdienlich.
Eine gute und durchdachte Planung sowie eine funktionierende Kommunikation zwischen den Beteiligten sind unbedingt erforderlich. Neben der Geltendmachung von Ansprüchen kann auch diese Koordinierung die Aufgabe des Anwalts sein.
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