Gastbeitrag LEBENgestalten: Wenn die Verantwortung für das Kind nicht endet

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Eine erschöpfte Frau auf dem Sofa

„Ich möchte gerne wieder Reisen“….“Ich möchte gerne einfach nur Mutter sein und nicht nur die Sekretärin für mein Kind sein“…..,“und ich möchte gerne noch lange gesund bleiben!“

Dies sind O-Töne von Teilnehmenden eines Workshops, der am 20.11.2021 in Düsseldorf vom AKG (Arbeitskreis Kunstfehler in der Geburtshilfe e. V.) veranstaltet wurde. Die Teilnehmenden waren Mütter und Väter von mittlerweile erwachsenden Kindern, die auf Grund eines Geburtsschadens, mehrfach behindert sind. Diese Eltern kümmern sich seit dieser Zeit um ihre Kinder und mussten mehr als einmal, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinten an stellen, um die Versorgung des Kindes sicherzustellen.

In diesem Workshop wurden diese Wünsche und Bedürfnisse aufgespürt und formuliert. Sie haben zu dürfen und sie anzunehmen war nicht für jeden Teilnehmenden einfach. Manchmal, so die Teilnehmenden, weiß man gar nicht mehr, wie sich eigene Wünsche anfühlen, denn zu oft hat man die Erfahrung gemacht, dass sie sich nicht erfüllen und die Gründe dafür sind vielfältig. Entweder bricht der familiäre Rückhalt weg, das soziale Umfeld zieht sich zurück, es gibt wenige Angebote für die Kinder in der Nähe oder sie sind für die Bedürfnisse des Kindes nicht geeignet. Das führt dazu, dass sich die pflegenden Mütter und Väter mehr und mehr auf sich verlassen und alle anfallenden Aufgaben übernehmen. Da bleibt nicht viel Platz für das Eigene.

Nun sind die Kinder ganz gut versorgt und es stellt sich die Frage, wo kann, möchte und muss ich abgeben?

Nicht nur für sich selbst, sondern auch mit der drängenden Frage, was wird, wenn ich nicht mehr da bin? Hier braucht es ein Lernfeld, denn loslassen bedeutet hier im ersten Schritt sich dem Thema sanft zu nähern.

Der Mensch ist von Geburt an mit fünf Basiseffekten ausgestattet. Diese sind Freude, Trauer, Wut, Angst und Ekel. D. h. Gefühle erkennen und zulassen zu können, bedeutet einen wichtigen Dialog zu sich selbst und zeugt von großer Stärke. Fühlen können und dürfen macht den Menschen aus!

Klingt nach einem Spagat! Die Mütter und Väter konnten über die eigenen Wünsche hinaus auch Wünsche für ihr Kind formulieren. Wünsche, die Eltern sich für ihre Kinder wünschen wie, dass sie glücklich sind und hier zusätzlich gepaart mit so viel Selbstbestimmung wie es für ihre Kinder möglich ist. Doch Selbstbestimmung fällt nicht vom Himmel und muss gelernt werden. Die Selbstbestimmung dieser Kinder ist in Abhängigkeit zu den pflegenden Eltern, die loslassen müssen, um ihre eigene Selbstbestimmung leben zu können, ohne schlechtes Gewissen.

Zu sprechen, sich auszutauschen ohne bewertet zu werden, seinen Zweifeln und Ängsten Raum geben zu dürfen, das war für die Teilnehmenden entlastend und zielführend.

„Ich fühle mich leichter und ich habe neuen Mut und Ideen!“ Schöner kann ein Workshop nicht enden!

Ein Gastbeitrag von:

Anja Brückner-Dürr
Dipl. Sozialpädagogin, Traumapädagogin, Mediatorin
www.praxis-lebengestalten.de

(Bildquelle: Shutterstock „BAZA Production“)