Landgericht Paderborn spricht Eltern 16 € Stundenlohn für die Pflege ihres Kindes zu

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Die Durchsetzung von Ansprüchen bei Geburtsschäden ist mit vielerlei Problemen behaftet. Neben der Höhe des Schmerzensgeldes ist die Angemessenheit der vermehrten Bedürfnisse ein häufiger Streitpunkt, über den die Gerichte zu entscheiden haben. Zu den vermehrten Bedürfnissen zählen alle unfallbedingten Mehraufwendungen, die „den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen“ (BGH VersR 2004, 482). Die Aufwendungen müssen also regelmäßig und dauernd erforderlich sein, dürfen nicht der Wiederherstellung der Gesundheit dienen und zu den allgemeinen Lebenserhaltungskosten zählen.

Im Bereich der Geburtsschäden ist insbesondere der Ersatz von Betreuungs- und Pflegekosten von erheblicher Bedeutung. Wird eine professionelle Pflegekraft eingestellt, sind diese tatsächlich aufgewendeten Kosten brutto zu erstatten. Bei einer Unterbringung im Pflegeheim werden auch diese konkret angefallenen Kosten übernommen.

Erfolgt die Pflege des behinderten Kindes jedoch in der Familie, soll dies den Schädiger nicht entlasten. Der Betrag, der bei Einsatz von Familienmitgliedern durch den Schädiger zu zahlen ist, ist aber gerade im Hinblick auf den hierfür zugrunde zu legenden Stundensatz äußerst streitig. Bereits 1973 hat der BGH klargestellt, dass die zusätzliche Mühewaltung der Familienangehörigen angemessen auszugleichen ist (BGH VersR 1973, 1067). Die Tätigkeit der Angehörigen ist „marktgerecht“ zu bewerten (BGH VersR 1986, 173). Hier stellt sich bereits die Frage, was eine „marktgerechte“ Vergütung ist.

In neuerer Zeit tendiert der BGH dazu, auf den Nettolohn einer vergleichbaren, entgeltlich eingesetzten Hilfskraft abzustellen (BGH VersR 1999, 253). Eine Orientierung an den Vergütungssätzen der einschlägigen Tarifbestimmungen ist hilfreich. Dies setzt ein ausführliches Vorbringen der einzelnen Tätigkeiten bei der Anspruchsanmeldung voraus. Denn die Rechtsprechung ist bei der Bemessung der Höhe des zugrunde zu legenden Stundensatzes weiterhin äußerst zurückhaltend. Häufig wird nur ein Stundensatz zwischen 7,50 € und 10,00 € als angemessen angesehen. So hat das OLG Hamm 1995 den Stundensatz mit 7,50 € bestimmt (NZV 1995, 318). Das LG Hamburg hat der pflegenden Mutter für beobachtende Pflege 10,00 € und für die Grundpflege 13,00 € zuerkannt (NJW-Spezial 2012, 11). Das OLG Karlsruhe (VersR 2006, 515) erachtet einen Stundenlohn von 7,20 € als ausreichend. Das OLG Köln hat mit Urteil vom 27.10.2012 differenziert für die einzelnen Jahre und einen Stundenlohn von 7,80 € im Jahr 1999 bis 11,22 € für das Jahr 2009 errechnet.

Umso erfreulicher ist es, dass in einem durch unsere Kanzlei geführten Verfahren nunmehr ein Stundensatz von 16,00 € erstritten werden konnte. Das Landgericht Paderborn hat mit rechtskräftigem Urteil vom 16.03.2015 bestätigt, dass für eine Entschädigung des zeitlichen Mehraufwandes ein Mittelwert der Vergütungen für Pflegeleistungen einerseits und für hauswirtschaftliche Tätigkeiten andererseits gut geeignet ist, um den dem Kläger entstehenden Mehrbedarf abzubilden. Der Kläger erlitt infolge geburtshilflicher Behandlungsfehler eine irreparable Cerebralparese mit massiven Beeinträchtigungen.

Neben dem Schmerzensgeld und immateriellen Vorbehalt wurde daher für diesen vor dem Landgericht Paderborn auch der in der Vergangenheit entstandene Pflege- und Betreuungsaufwand konkret eingeklagt und detailliert dargelegt. Die maßgebliche Betreuung und Pflege erfolgte dabei von der Mutter des Klägers. Das Landgericht Paderborn hat in seinem Urteil erläutert, dass die von ihr erbrachten Tätigkeiten teils der Behandlungspflege zuzuordnen sind und teils der hauswirtschaftlichen Versorgung dienten. Für die Behandlungspflege war ein Stundenlohn von 24,00 € in Ansatz gebracht worden, für die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten von 9,00 €. Zur Berechnung des Mehrbedarfs ist ein Mittelwert von 16,00 €/Std. zugrunde gelegt worden.

Das Landgerichts Paderborn hat in seinen Urteilsgründen ausdrücklich klargestellt, dass für die Entschädigung des zeitlichen Mehraufwandes ein Mittelwert zu bilden ist. Das Landgericht hält die Stundensätze von 24,00 € (für Behandlungspflege) bzw. 9,00 € (für hauswirtschaftliche Versorgung) und den daraus gebildeten Mittelwert für maßvoll. Es ist somit endlich gelungen, ein Urteil zu erstreiten, in dem die Pflegeleistungen der Eltern zumindest mit 16,00 €/Std. zu vergüten sind. Denn die Zuerkennung von nur 7,50 € bis 10,00 € geben die Realität in keiner Weise wieder. Man kann daher nur hoffen, dass sich auch zukünftig weitere Gerichte dieser Erkenntnis anschließen und die seitens der Eltern erbrachten Pflegeleistungen besser honorieren.

Petra Marschweski
Fachanwältin für Medizinrecht
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

 

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