Das Wohl des Kindes steht bei der Geburt an allererster Stelle
Während einer Geburt haben sich die Geburtshelfer zu vergewissern, dass es dem noch ungeborenen Kind gut geht und alles dafür zu tun, dass das Kind unbeeinträchtigt und ohne Schäden zur Welt kommt. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung vom 16.05.2014 (Aktenzeichen: 26 U 178/12) diese Selbstverständlichkeit noch einmal herausgehoben und in einem von dem Senat zu entscheidenden Fall das verklagte Krankenhaus und die dort beschäftigten Ärzte darauf eingeschworen.
Bei einer Geburt war es zu Verzögerungen unter dem Geburtsvorgang gekommen und letztlich kam das Kind mit schweren geistigen und körperlichen Behinderungen zur Welt. Das Landgericht Essen hatte verschiedene Gutachten eingeholt, um zu klären, ob die Reaktionen der Ärzte richtig und insbesondere zeitgerecht waren. Am Ende konnte das Landgericht zunächst nur teilweise eine Verantwortlichkeit der Ärzte für die bei dem Kind eingetretenen Schäden feststellen.
Das Oberlandesgericht Hamm hat dies korrigiert und eine umfassende Haftung ausgeurteilt. Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, dass, wenn nicht klar ist, wie gut es dem Kind im Mutterleib geht und es Anzeichen dafür gibt, dass das Kind nicht in erforderlichem Umfang mit Sauerstoff versorgt wird, sich die Ärzte über den Zustand des Kindes vergewissern müssen. Wenn dies nicht möglich sei oder wenn man auf diese Maßnahme verzichtet und es kommt im Anschluss daran zu weiteren Verzögerungen (bei der beabsichtigten natürlichen Geburt), dann muss im Interesse des Kindes schnell umgeschwenkt werden und eine Geburtsbeendigung durch einen Kaiserschnitt erfolgen, die Geburt des Kindes also aktiv vorangetrieben werden.
Es könne jedenfalls nicht sein, dass trotz kritischer Zeichen, und dabei insbesondere nicht mehr tolerierbaren CTG-Werten, über den Zeitraum einer Dreiviertelstunde nichts zur Beendigung der Geburt getan wird.
Der Senat hat ausgeführt, dass „sich die Dringlichkeit zu einer sofortigen Entbindung mit jeder weiteren Minute und jedem weiteren vergeblichen Versuch der Förderung der Entbindung gesteigert“ habe. In der Konsequenz sei der Senat überzeugt, „dass das Nichtangehen der Schnittentbindung über eine so langen Zeitraum (45 Minuten) den Bereich fachgerechten Verhaltens so weit eindeutig verlassen hat, dass das Verhalten aus medizinischer Sicht nicht mehr verständlich ist“.
Die Geburtshelfer dürfen also nicht nach dem Motto „irgendwann wird es schon klappen“ verfahren, sondern müssen aktiv an der besten Lösung für das Kind arbeiten“.
Axel Näther
Fachanwalt für Medizinrecht
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht
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