OLG München spricht 65.000,00 € Schmerzensgeld bei einem Plexusschaden zu

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Lange hat es gedauert, letztlich hat es sich aber gelohnt. Ende 2001 wurde N. in der Amperklinik Dachau geboren. Obwohl die Geburt nur sehr zögerlich voranging und diese sogar zum Stillstand kam, wurde mit der werdenden Mutter aber nicht darüber gesprochen, dass sie durch einen Kaiserschnitt entbinden kann. Vielmehr entschied sich der Arzt ohne weitere Rücksprache für eine Entbindung durch eine sog. Vakuumextraktion. Hierdurch erlitt das Kind einen schweren Plexusschaden. Trotz mehrerer Operationen und bis heute andauernder Therapien kann das jetzt knapp 13jährige Mädchen ihren rechten Arm und die Hand nur äußerst eingeschränkt einsetzen. Neben diese körperlichen Beeinträchtigungen leidet sie nunmehr auch unter psychischen Belastungen durch Hänseleien.

Nach jahrelanger außergerichtlicher und gerichtlicher Auseinandersetzung in 2 Instanzen hat ihr jetzt das OLG München ein Schmerzensgeld über insgesamt 65.000,00 € zugesprochen. Ebenfalls wurde ausgeurteilt, dass der geburtsleitende Arzt und das Krankenhaus für alle materiellen Beeinträchtigungen in der Vergangenheit und in Zukunft aufzukommen haben. Das OLG hat klar herausgestellt, dass eine Haftung gegeben ist, wenn im Laufe einer Geburt eine Situation vorliegt, bei der eine Entbindung durch Sectio zu einer Alternative für die werdende Mutter wird. In diesem Fall muss der Arzt mit der Schwangeren über diese Möglichkeit sprechen. Es kommt nicht darauf an, dass ein Kaiserschnitt die einzige, richtige Vorgehensweise darstellt.

In dem Verfahren haben der gerichtliche Sachverständige Prof. Gerber und ein von der Gegenseite privat herangezogener Sachverständiger sehr emotional diskutiert, wann eine Geburt durch Vakuumextraktion oder Sectio beendet werden muss. Das OLG hat aber richtigerweise betont, dass hierauf nicht das Hauptaugenmerk zu legen ist. Denn ein Gespräch mit der werdenden Mutter ist in jedem Fall erforderlich, wenn diese beiden Alternativen bestehen. In dem entschiedenen Fall war zwar zuvor mit der Mutter allgemein über verschiedene Entbindungsmodalitäten gesprochen worden. Im Laufe der Geburt änderte sich diese Situation allerdings, es trat ein sog. Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode ein. Somit war ein neuerliches Gespräch mit der Schwangeren erforderlich. Das OLG hat zu Recht betont, dass die einmal erklärte Einwilligung der werdenden Mutter nur die Behandlung aufgrund des bisherigen Erkenntnisstandes abdeckt; ihre Wirksamkeit aber endet, wenn bisher nicht bekannte Komplikationen (hier Geburtsstillstand) auftreten.

 

Dieses Verfahren zeigt sehr deutlich, wieviel Kraft und Ausdauer eine solche Auseinandersetzung von den betroffenen Kindern und Eltern erfordert. Auch wenn – wie hier – zunächst sogar von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses ein Vorschuss von 25.000,00€ gezahlt wurde, heißt dies noch lange nicht, dass die berechtigten Ansprüche des Kindes tatsächlich zeitnah reguliert werden. Obwohl eindeutige Gutachten die Schwere der Beeinträchtigungen des Kindes bestätigten, bot die Haftpflichtversicherung zu keinem Zeitpunkt eine angemessene Entschädigung an und versuchte, dass Kind durch einen geringen Betrag abzuspeisen.

Die Haftpflichtversicherungen sind in diesen Auseinandersetzungen sicherlich auch in der komfortablen Situation, da es ihnen nicht an Zeit und Geld mangelt, einen solchen Fall „auszusitzen“. Daher kann letztlich nur mit Hartnäckigkeit und einem langen Atem zumindest ein angemessener finanzieller Ausgleich erreicht werden. Im Zweifel sind hierfür mehrere Instanzen zu durchlaufen. Dennoch sollte nicht frühzeitig aufgegeben werden. Denn es ist immer wieder ein gutes Gefühl, wenn ein Gericht deutliche Worte findet und klarstellt, dass bei schwerwiegenden Verletzungen eine ausreichende Entschädigung gezahlt werden muss.

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