Anschaffungskosten eines behindertengerechten Fahrzeugs
In meinem Blogbeitrag vom 07.05.2015 hatte ich ein vor dem Landgericht Essen geführten Prozess thematisiert, in dem sich der Haftpflichtversicherer eines Krankenhauses, das den schwersten zerebralen Schaden eines Kindes zu vertreten hat, weigerte, die Kosten für die Neuanschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs zu übernehmen, das zu diesem Zweck umgebaut wurde.
Das Kind bzw. die Familie war dadurch genötigt, ein Darlehen aufzunehmen, um das dringend erforderliche neue Auto zu finanzieren. In dem Prozess ging es also um die Anschaffungs- wie auch um die Finanzierungskosten.
Das Landgericht Essen hatte in seinem Urteil unserer Klage bezüglich der Kosten des behindertengerechten Fahrzeugs in einem sehr weiten Umfang stattgegeben. Allerdings wurden Abzüge für Teile der Ausstattung, die als nicht notwendig empfunden wurden, vorgenommen und es wurde ein nicht unbeträchtlicher Abschlag dafür gemacht, dass die Geschädigte im Alter von jetzt 28 auch ein Auto gekauft hätte, wäre sie denn gesund gewesen.
Wegen dieser Punkte hatten auch wir, ebenso wie der gegnerische Versicherer, gegen das Urteil des Landgerichts Essen Berufung eingelegt und haben vor dem Oberlandesgericht Hamm in der Sache weiter verhandelt.
Schließlich ist es dabei zu einem Vergleich gekommen nachdem der zwischenzeitlich erwachsenen Geschädigten noch einmal deutlich mehr Geld zukommt als nach dem Urteil der ersten Instanz.
Der entscheidende Punkt allerdings, der auch das gegnerische Klinikum bzw. den dahinter stehenden Haftpflichtversicherer zum Nachdenken anregen sollte, ist folgender:
Der in zwei Instanzen geführte Prozess hat knapp drei Jahre in Anspruch genommen. Am Ende müssen das Klinikum bzw. der Haftpflichtversicherer letztlich mit der Vergleichssumme und den hinzuzurechnenden Verfahrenskosten mehr zahlen als hätten sie von Anfang an die vollständigen Kosten des Fahrzeugs übernommen.
Der gegnerische Haftpflichtversicherer hatte außergerichtlich, also vor Aufnahme des Prozesses, nur einen ganz geringfügigen Betrag als „Beteiligungsmöglichkeit“ genannt. Es war vollkommen klar, dass die Geschädigte auf dieses Angebot nicht eingehen konnte. Der Haftpflichtversicherer machte über Monate kein wirklich ernsthaftes Angebot, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Konkret:
Bei einem Fahrzeugpreis von 50.000,00 € und Finanzierungskosten von 10.000,00 € wurden für die zwei Instanzen Verfahrenskosten in Höhe von ca. 30.000,00 € (!) produziert.
Daneben war die Familie über drei Jahre den Belastungen eines Gerichtsverfahrens ausgesetzt.
Dieser Rechtsstreit hätte mit einem geringen Maß an Willen auf Schädigerseite sicher vermieden werden können.
LG Essen, Az.: 1 O 7/14
OLG Hamm Az.: I-3 U 51/15
Axel Näther
Fachanwalt für Medizinrecht
Geburtsschadensrecht und Arzthaftung
Hallo Axel, danke für den ausführlichen Beitrag. Mein Sohn ist mit einem Geburtsschaden auf die Welt gekommen. Mittlerweile ist er kurz vor seinem 18. Geburtstag und mein Mann und ich möchten ihm ein Fahrzeug schenken. Es muss definitiv ein behindertengerechtes Fahrzeug sein, daher bin ich froh auf ihren Artikel gestoßen zu sein.