Was ist bei der geburtshilflichen Betreuung psychisch erkrankter Schwangerer zu beachten?

v.l.n.r: Dr. Roland Uphoff, Dr. Karen Weißhaupt, Charité Berlin – Klinik für Psychiatrie, Dr. Lisa Dröge, leitende Oberärztin der Charité Berlin – Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Dr. Christine Klapp, Charité Berlin, Projektleiterin des „Babylotsen-Projekts Berlin“, Prof. Dr. Wolfgang Henrich, Chefarzt der Charité Berlin – Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe

v.l.n.r: Dr. Roland Uphoff, Dr. Karen Weißhaupt, Charité Berlin – Klinik für Psychiatrie, Dr. Lisa Dröge, leitende Oberärztin der Charité Berlin – Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Dr. Christine Klapp, Charité Berlin, Projektleiterin des „Babylotsen-Projekts Berlin“, Prof. Dr. Wolfgang Henrich, Chefarzt der Charité Berlin – Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe

 

Im Rahmen einer Veranstaltung der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin (www.dggg) habe ich im Oktober zu einem sehr speziellen Thema referiert: Wie und unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen ist die psychisch oder eventuell psychiatrisch erkrankte Schwangere und Gebärende zu betreuen?

Hierbei ist aus medizinethischer und -rechtlicher Sicht hervorzuheben, dass naturgemäß auch die psychisch erkrankte Schwangere angemessen aufgeklärt werden muss. Jedoch ist dabei unbedingt der wichtige Grundsatz zu beachten, dass das Selbstbestimmungsrecht der werdenden Mutter dann endet, wenn das ungeborene Kind in Gefahr ist.

So kann im Rahmen der betreuungsrechtlichen Regelungen die Einwilligung der werdenden Mutter durch eine Betreuerin oder durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass aufgrund einer psychischen oder psychiatrischen Erkrankung der Gebärenden eine gute und im Interesse der Mutter und des ungeborenen Kindes wichtige Behandlung nicht möglich ist.

Praktische Probleme ergeben sich daraus, dass in den psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser naturgemäß keine ausreichend gute geburtshilfliche Behandlung und Begleitung der Gebärenden möglich ist. Die Forderung geht also dahin, in jedem Fall auch werdende Mütter, die psychisch oder psychiatrisch erkrankt sind, bestmöglich in einem Geburtskrankenhaus zu betreuen. Dabei ist jedoch ggf. unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen das kindliche Wohlbefinden sicherzustellen.

Diese sicher extreme Situation in der Geburtshilfe ist eine maximale Herausforderung für alle Beteiligten. Wichtig ist daher immer eine enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Psychiater, Geburtshelfer und ärztlichem Personal.

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Roland Uphoff, Anwalt für Geburtsschadensrecht, Veröffentlichung Kinderkrankenschwester, neonatale Hypoglykämie

Grober Behandlungsfehler bei neonataler Hypoglykämie: OLG Hamm entscheidet

Säuglinge auf einer Geburtsstation

In einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 04.12.2018 wurde über die Notwendigkeit für eine Blutzuckerbestimmung in lebensbedrohlichen Fällen bei Neugeborenen entschieden. Anlass dafür war der Fall einer neonatalen Hypoglykämie bei einem Kind, die zu größeren Komplikationen geführt hatte.

Was ist eine neonatale Hypoglykämie?

Bei Neugeborenen kann es zwischen dem ersten und dritten Lebenstag zu einem intensiven Abfall des Blutzuckers kommen. In einem solchen Fall spricht man von einer neonatalen Hypoglykämie. Solche Fälle treten u.a. bei Müttern auf, die unter einem Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus leiden. Ebenso können weitere Risikofaktoren wie Frühgeburt, ein Mangel an Ketonkörpern und Fettsäuren, angeborene Stoffwechseldefekte oder perinataler Stress zu einer Hypoglykämie im Kind führen.
Diese hat jedoch bei richtiger Behandlung normalerweise keine weiteren Auswirkungen auf die Frühentwicklung des Kindes. Unbehandelt können jedoch schwere Hirnschäden auftreten.

Verspätete Behandlung führt zu Komplikationen

Im vorliegenden Fall zeigte ein Neugeborenes nach der Geburt in der 21. Schwangerschaftswoche innerhalb der ersten Stunden Komplikationen in Form von „schlappen Händen“ und „blauen Füßen“ auf. Nach einer erfolgreichen Reanimation durch die behandelnden Ärzte wurde das Kind in eine Kinderklinik verlegt. Dort entwickelten sich innerhalb kurzer Zeit Krampfanfälle – ein weiteres unspezifisches Symptom für Hypoglykämie. Erst dort erfolgte schließlich eine Blutzuckerbestimmung mit folgender Glukose-Behandlung mit dem Ergebnis, dass eine neonatale Hypoglykämie festgestellt wurde. Das Kind blieb dadurch eine weitere Zeit instabil und intensivpflichtig.

OLG Hamm fällt deutliches Urteil

Nach Einbeziehung von mehreren Sachverständigengutachten kam das Oberlandesgereicht Hamm zu dem Schluss, dass die Erfassung des Blutzuckers schon zu einem früheren Zeitpunkt absolut notwendig und zwingend gewesen wäre. Präzise stellt das OLG klar:
„Eine solche Bestimmung wäre zumindest im Nachgang der unmittelbaren akuten Situation aus medizinischer Sicht differentialdiagnostisch dringend erforderlich gewesen.“
Dementsprechend hätten die zuständigen Fachkräfte bereits beim Auftreten der ersten kritischen Symptome, die eine Reanimation erforderlich machten, eine Blutzuckerwertbestimmung als absolute Standardmaßnahme vornehmen müssen. Somit handelte es sich hierbei um einen groben Behandlungsfehler, der eine frühzeitige Glukose-Behandlung verhindert habe.

Konsequenz für zukünftige Diagnosen

Durch das Gerichtsurteil wird deutlich, dass eine unterlassene Blutzuckerbestimmung ein grober Behandlungsfehler im Falle eines Verdachts auf neonatale Hypoglykämie ist. Allein zum Ausschluss der Diagnose ist dieser Schritt für das Fachpersonal unumgehbar und sollte deswegen bei Neugeborenen in kritischem Zustand immer berücksichtigt werden.
Im Urteil des OLG Hamm wird zudem als Konsequenz für aus dem Behandlungsfehler entstehende Beeinträchtigungen des Kindes formuliert:
„Bei einer schweren geistigen und körperlichen Beeinträchtigung eines Kindes, die niemals ermöglicht, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, kann ein Schmerzensgeld von 500.000,- € angemessen sein.“

Den vollständigen Artikel aus der Zeitschrift kinderkrankenschwester können Sie hier nachlesen.

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

„Werden Babys wirklich dem Profit geopfert?“ – Diskussion um Zentralisierung der Geburtshilfe erreicht endlich eine breite Öffentlichkeit

Säuglinge auf einer Geburtsstation

Am 11.09.2019 diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen aus Medizin und Medien den öffentlichen Appell deutscher Ärzte im „Stern“, dem Diktat der Ökonomie in Kliniken ein Ende zu setzen. Unter dem Sendungstitel „Ärzte klagen an: Krankhäuser gefährlich für Patienten“ kamen nicht nur unnötige OPs oder überarbeitetes Personal zur Sprache. Arzt und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen lag ein Thema besonders am Herzen, das in der Fachwelt schon lange diskutiert wird, und zu dem es auch hier auf dem Blog bereits mehrere Artikel gibt: die Forderung nach einer Zentralisierung der Geburtshilfe in großen Perinatalzentren. Dabei steht vor allem die Versorgung von Frühgeborenen im Fokus.

Ich spreche mich schon lange dafür aus, dass kleine Entbindungskliniken in Deutschland geschlossen werden. Dort fehlen schlichtweg die nötige Erfahrung und Routine, um bei schwer oder nicht vorhersehbaren Komplikationen entsprechend zu agieren. Doch der finanzielle Anreiz, trotzdem Komplikationsfälle zu behandeln, ist für die kleineren Einrichtungen einfach zu groß. Die Frage, ob Babys tatsächlich dem Profit geopfert werden, greift die „Bild“ deshalb im Nachgang zu der ARD-Sendung noch einmal detaillierter auf. Den kompletten Artikel vom 17.09.2019 mit meiner Stellungnahme zum Thema können Sie hier nachlesen.

Weitere Informationen zum Thema Zentralisierung der Geburtshilfe können Sie in folgenden Blogbeiträgen nachlesen:
Wie finde ich eine qualifizierte Geburtsklinik?
Fehlende Routine: Südtirol schließt kleine Geburtskliniken
Eintscheidungshilfe: Wahl der richtigen Entbindungsklinik bei Frühgeburten

Bildquelle: shutterstock: Bignai

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Beckenbodenschäden sind ein Risiko natürlicher Geburten

Abbildung des Beitrags in der Zeitschrift Der Gynäkologe

In einem aktuellen Artikel für die Zeitschrift „Der Gynäkologe“ habe ich dazu Stellung genommen, dass aus meiner medizinrechtlichen und medizinethischen Sicht die werdende Mutter auch über die Risiken von möglichen Beckenbodenschäden bei der Vaginalgeburt informiert und aufgeklärt werden muss.

Auswirkungen von Beckenbodenschäden

In der Gynäkologie ist seit vielen Jahren bekannt und beschrieben, dass die bei der vaginalen Geburt möglicherweise entstehenden mütterlichen Beckenbodenschäden eine lebenslange Auswirkung auf die Lebensqualität der betroffenen Frau haben können. Es besteht das Risiko späterer Blasen- und Stuhlinkontinenz sowie Vaginal-, Uterus- und Blasensenkungen, die nicht immer erfolgreich gynäkologisch behandelt und beseitigt werden können.

Aktuelle Aufklärungspflicht

In anderen Bereichen der Medizin muss der Patient im Hinblick auf sein Selbstbestimmungsrecht über die Risiken der anstehenden Behandlung aufgeklärt werden. Die aktuelle Rechtsprechung erkennt allerdings nicht an, dass die werdende Mutter über die Risiken der Vaginalgeburt informiert und aufgeklärt und ihr die Möglichkeit einer Kaiserschnittentbindung (mit allen Vor- und Nachteilen) erläutert werden muss. Dies gilt nur, wenn dem Kind durch eine vaginale Geburt ernstzunehmende Gefahren drohen. Denn bisher werden die oben beschriebenen Beckenbodenschäden als ein „allgemeines Lebensrisiko“ angesehen und damit z. B. den Wehenschmerzen gleichgestellt.

Diese Betrachtungsweise ist meiner Meinung nach jedoch unvollständig und vernachlässigt die berechtigten Interessen der vor der Geburt stehenden Frauen. Zum einen handelt es sich hierbei nicht um ein allgemeines Lebensrisiko, sondern um ein medizinisch beschriebenes und bekanntes Behandlungsrisiko. Zum anderen kann das Ausmaß der möglichen Beckenbodenschäden als Geburtsfolge für eine Frau lebensverändernd sein und muss daher aus meiner medizinethischen Sicht ernst genommen werden.

Notwendige Aufklärungspflicht

Welches Risiko bei medizinischen Behandlungen akzeptiert wird, ist alleinige Entscheidung der werdenden Mutter. Unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Risikoaufklärung muss sie aus meiner medizinrechtlichen Sicht demnach in einem ruhigen, vorbereiteten Gespräch über die Auswirkung auf den mütterlichen Beckenboden bei Vaginalgeburt aufgeklärt und ihr die Möglichkeit eines Kaiserschnitts erörtert werden. Auf diese Weise erhält die Frau die Möglichkeit, unter Hinweis auf eine medizinische Motivation um eine Sectio zu bitten, ohne dass diese verweigert werden kann.

Den vollständigen Artikel aus der Zeitschrift Der Gynäkologe können Sie hier nachlesen.

 

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Dr. Roland Uphoff beim Vortrag während eines Fortbildungskurses der DGPGM

Vortrag beim Fortbildungskurs „Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin“

Dr. Roland Uphoff beim Vortrag während der Fortbildungsveranstaltung

Als Referent beim Fortbildungskurs der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin habe ich am 12. Juli einen Vortrag zum Thema „Rechtliche Vorgaben bei Geburtseinleitung im Zustand nach Sectio“ gehalten. Meine Forderung nach einer Grundregel bezüglich Schnittentbindung führte zu heftigen Diskussionen. Mir ist jedoch wichtig, dass die Risiken einer Vaginalgeburt nach einem erfolgten Kaiserschnitt nicht verharmlost werden. Denn leider versuchen zu viele Geburtshelfer in jedem Fall eine weitere Sectio zu vermeiden und klären die werdende Mutter häufig nicht über die aus haftungsrechtlicher Sicht unbedingt zu erwähnenden Risiken auf. Die werdende Mutter muss aber unbedingt vom Frauenarzt bzw. Geburtshelfer darauf hingewiesen werden, dass bei einer weiteren Geburt die Sectio-Narbe reißen kann. In dem Fall muss die Geburt nochmals mit Kaiserschnitt abgeschlossen werden.

Natürlich besteht die Möglichkeit, auch bei einem bereits erfolgten Kaiserschnitt die weitere Geburt auf natürlichem Weg zu versuchen. Das setzt jedoch voraus, dass die Klinik alle Risiken kennt, sich entsprechend darauf einrichtet und vor allem die werdende Mutter umfassend informiert. Denn nur sie kann in Übereinstimmung mit dem betreuenden Geburtshelfer für sich entscheiden, ob sie einen weiteren Kaiserschnitt oder die Risiken einer Vaginalgeburt bei der zweiten Geburt eingehen möchte.

Daher meine Forderung, dass nach einem Kaiserschnitt immer zunächst von einer weiteren Schnittgeburt ausgegangen werden sollte. Ein solches Grundprinzip, von dem auf speziellen Wunsch natürlich abgewichen werden kann, ist aus meiner Sicht sinnvoller als die aktuelle Handhabung in der Praxis.

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Abbildung eines Beitrags in der Zeitschrift Kinderkrankenschwester

Aufklärung über die Alternative eines Kaiserschnitts: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Abbildung eines Beitrags in der Zeitschrift Kinderkrankenschwester

In einem Urteil vom 28.08.2018 hat sich der Bundesgerichtshof dazu geäußert, wann der richtige Zeitpunkt ist, um eine Schwangere über die Entbindungsalternative eines Kaiserschnitts aufzuklären. Damit zusammenhängend wurde auch die Frage verhandelt, auf welcher Seite die Beweislast für eine als Behandlungsfehler zu wertende zeitliche Verzögerung bei einer Entbindung liegt.

Komplikation bei der Geburt

Im konkreten Fall aus dem Jahr 2006, wurde bei einer Schwangeren, der zuvor ein wehenförderndes Mittel verabreicht worden war, wiederholt ein Abfall der kindlichen Herztöne festgestellt. Erst nach dem dritten Abfall jedoch wurde eine Entscheidung für einen nun eiligen Kaiserschnitt getroffen und die Schwangere wurde unter diesen Umständen erstmals über eine Sectio aufgeklärt.

Die Mutter, mit der im Vorfeld nie ausführlich über die Alternative eines Kaiserschnitts gesprochen worden war, geriet nach der Entscheidung für eine eilige Sectio in Panik und wehrte sich zeitweise gegen die nun folgende Behandlung. Dadurch verzögerte sich die Zeit zwischen der ohnehin äußerst spät getroffenen Entscheidung für eine Sectio und der folgenden Entbindung zusätzlich. Bis zur tatsächlichen Geburt vergingen nach der Entscheidung 46 Minuten. Aufgrund der langen Verzögerung erlitt das Kind unter der Geburt eine Hirnschädigung, die eine schwere geistige und körperliche Behinderung zur Folge hatte.

Bedeutung der rechtzeitigen Aufklärung

Das Gericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Krankenhausträger haftet, wenn ein Kaiserschnitt später durchgeführt wird, als er bei einer rechtzeitigen Aufklärung möglich gewesen wäre. Das bedeutet auch, dass ein solches Aufklärungsgespräch schon stattfinden muss, sobald eine Gefährdungslage für das Kind erstmals absehbar ist. Nur so ist ein Gespräch unter verhältnismäßig ruhigen Umständen möglich, in denen die Mutter die Problematik auch noch ausreichend reflektieren kann. Und nur so kann das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren gewahrt werden.

Der Arzt muss zwar ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit eines Kaiserschnitts nicht ansprechen, im konkreten Fall war diese Veranlassung aber spätestens mit dem zweiten Abfall der kindlichen Herzfrequenz gegeben. Zu dieser Einschätzung kam auch der bestellte Gutachter. Entsprechend hätte die Schwangere bereits nach dem ersten, spätestens aber nach dem zweiten Abfall der kindlichen Herzfrequenz über Entbindungsalternativen und die damit einhergehenden Vor- und Nachteile aufgeklärt werden müssen. Unter diesen Umständen hätte die Geburt unverzüglich durch einen Kaiserschnitt beendet werden können.

Das Gericht folgte dieser Einschätzung: Führt eine zeitliche Verzögerung zu einer Schädigung des Kindes, ist eine Haftung der Behandlerseite bereits aufgrund der unterbliebenen vorzeitigen Aufklärung über die Entbindungsalternative gegeben.

Fazit

Das Urteil verdeutlicht, wie zentral eine funktionierende Kommunikation zwischen Patientin und medizinischem Personal ist. Menschliche Reaktionen sind nicht bis ins Detail kalkulierbar, sodass eine rechtzeitge Aufklärung umso entscheidender ist.

Den vollständigen Artikel aus der Zeitschrift „kinderkrankenschwester“ können Sie hier nachlesen. Darin wird auch die Frage verhandelt, wer für eine Überschreitung der Entscheidungs-Entbindung-Zeit, die als Behandlungsfehler zu werten ist, die Beweislast trägt.

 

Ein Beitrag von:

Petra Marschewski
Fachanwältin für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Dr. Roland Uphoff bei der Deutschen Richterakademie

Ein Blick auf das Arzthaftungsrecht aus Sicht des Patientenanwalts

Publikum beim einer Veranstaltung

Tagung zum Arzthaftungsrecht

Anfang Mai habe ich bei der Deutschen Richterakademie zur Praxis des Arzthaftungsrechts und -verfahrens aus Sicht des Patientenanwalts referiert. Die Tagung fand über einen Zeitraum von sechs Tagen in der Richterakademie in Trier statt. Im Fokus der Veranstaltung standen neben ausgewählten Problemen des Arzthaftungsrechts auch Fragen zur Begutachtung durch medizinische Sachverständige.

Perspektivwechsel – womit Patienten zu kämpfen haben

Die Veranstaltung wurde von circa 50 Richterinnen und Richtern besucht, die schwerpunktmäßig Arzthaftungsprozesse bearbeiten. Ihnen habe ich aus Sicht des Patientenanwalts dargestellt, welche immensen Schwierigkeiten und Widerstände bei der Durchsetzung von Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüchen für Patienten bestehen. Nicht nur die verzögernde und zum Teil sehr zynische Verhandlungstaktik der Haftpflichtversicherer habe ich hierbei angesprochen. Unbedingt wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass die großen Hürden, um einen Schadenersatzprozess auf Patientenseite zu gewinnen, verringert werden. Dazu gehört beispielsweise, dass die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr deutlich vereinfacht werden. Daneben gilt es unbedingt, die Stellung des Privatgutachters zu stärken, der häufig in gerichtlichen Verfahren ignoriert und nicht angehört wird.

Aufseiten der Richter und Richterinnen wurde schnell deutlich, dass viele praktische und prozessuale Probleme, die auf Patientenseite bestehen, überhaupt nicht bekannt sind – oder nicht diskutiert werden. Es ist und bleibt daher wichtig, dass sich die Justiz mehr und intensiver mit Patientenrechten und der Verbesserung der Situation des Patienten beschäftigt.

Ein Beitrag von:

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Fachbeitrag in der Kinderkrankenschwester zur Sepsis bei Kindern in oder kurz nach der Neonatalperiode

Sepsis bei Kindern in oder kurz nach der Neonatalperiode

Fachbeitrag in der Kinderkrankenschwester zur Sepsis bei Kindern in oder kurz nach der Neonatalperiode

Sepsis bei Neugeborenen

Das Risiko, dass sich eine bestehende Infektion bei einem Neugeborenen oder Säugling zu einer Sepsis entwickelt, ist sehr groß. Und die Folgen sind gravierend: Eine Sepsis kann zu Schock, Multiorganversagen und letztlich sogar zum Tod des Kindes führen – vor allem dann, wenn die Symptome nicht rechtzeitig erkannt werden und die Behandlung somit erst verspätet erfolgt. Die Sterblichkeitsrate bei schwerer Sepsis im Kindesalter in den Industriestaaten mit hoher medizinischer Versorgung variiert derzeit zwischen 2,5 und 17%.

Was passiert bei einer Sepsis?

Eine Sepsis ist immer eine Reaktion des Körpers auf eine bereits bestehende Infektion. Dabei ist sie keine Vergiftung im herkömmlichen Sinne, wie der umgangssprachliche Begriff „Blutvergiftung“ suggeriert. Eine Sepsis entsteht, wenn die körpereigene Abwehr gegen eine Infektion das eigene Gewebe und die eigenen Organe angreift. Dies kann geschehen, wenn sich Krankheiterreger aus einer lokalen Infektion über das Lymph- und Blutgefäßsystem im Körper ausbreiten und das Immunsystem mit einer Überaktivität reagiert. Es werden dann nicht mehr nur die Erreger, sondern auch die körpereigenen Zellen attackiert und geschädigt.

Wie erkennt und behandelt man eine Sepsis?

Die typischen Symptome bzw. Laborwerte bei einer Sepsis sind sehr unspezifisch, so dass diese häufig mit einer Erkältung oder Grippe verwechselt wird. So geht oft wertvolle Zeit verloren, was gerade bei Säuglingen im ersten Lebensmonat dramatische Folgen haben kann. Solche diagnostischen Unsicherheiten, aber auch eine unzureichende Umsetzung anerkannter Behandlungsrichtlinien, tragen daher zu einer hohen Sepsis-Sterblichkeit bei.
Ist einmal eine Diagnose erfolgt, ist eine besonders schnelle Reaktion von großer Bedeutung: Durch die Gabe von Antibiotika und den Einsatz zusätzlicher Behandlungsmaßnahmen wie Flüssigkeitsgabe und Stabilisierung des Blutkreislaufs, lässt sich das Sterblichkeitsrisiko halbieren.

Vorbeugende Maßnahmen

Damit es erst gar nicht zu einer Sepsis kommt, gibt es eine ganze Reihe von wichtigen Präventionsmaßnahmen, die in bestehenden medizinischen Leitlinien festgeschrieben sind. Dazu gehören u.a. die Desinfektion von Haut und Händen, die prophylaktische Gabe von Antibiotika, aber auch der Einsatz von Impfungen.
Die Einhaltung solcher vorbeugender Maßnahmen durch medizinisches Fachpersonal ist aber nicht nur medizinisch, sondern auch rechtlich relevant. Wurde ein Risiko, das eigentlich beherrschbar gewesen wäre, durch die Vernachlässigung präventiver Behandlungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen, greift vor Gericht die sogenannte „sekundäre Darlegungslast“. Dazu aus einem Urteil vom BGH vom 16.08.2016: „Verwirklicht sich ein Risiko, dass von der Behandlerseite voll hätte beherrscht werden können und müssen, so muss sie darlegen und beweisen, dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen hatte, um das Risiko zu vermeiden.“

Fazit

Es ist auch aus rechtlicher Sicht zu empfehlen, insbesondere bei der Behandlung von Frühgeborenen und Säuglingen die leitlinienkonformen Präventivmaßnahmen fest im Klinikalltag zu verankern.

Den vollständigen Artikel aus der Zeitschrift „Kinderkrankenschwester“ , in dem auch der Fall einer unserer Mandantinnen besprochen ist, können Sie hier nachlesen.

 

Ein Beitrag von:

Sandra Peters
Rechtsanwältin
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Fachanwalt für Medizinrecht
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

v.l.n.r. Dr. Roland Uphoff (Vorsitzender AKG), Sandra Peters (Kanzlei Uphoff), Gerd Schmidt (stellvertretender Vorsitzender AKG), Marlis Meierling (Leiterin der AKG Geschäftsstelle Dortmund), Caterina Krüger (Kanzlei Uphoff), Petra Marschewski (Kanzlei Uphoff)

Bundestagung des Arbeitskreises Kunstfehler in der Geburtshilfe

v.l.n.r. Dr. Roland Uphoff (Vorsitzender AKG), Sandra Peters (Kanzlei Uphoff), Gerd Schmidt (stellvertretender Vorsitzender AKG), Marlis Meierling (Leiterin der AKG Geschäftsstelle Dortmund), Caterina Krüger (Kanzlei Uphoff), Petra Marschewski (Kanzlei Uphoff)

v.l.n.r. Dr. Roland Uphoff (Vorsitzender AKG), Sandra Peters (Kanzlei Uphoff), Gerd Schmidt (stellvertretender Vorsitzender AKG), Marlis Meierling (Leiterin der AKG Geschäftsstelle Dortmund), Caterina Krüger (Kanzlei Uphoff), Petra Marschewski (Kanzlei Uphoff)

Am 23. und 24. März 2019 hat der Arbeitskreis Kunstfehler in der Geburtshilfe e.V. zu seiner jährlich stattfindenden Bundestagung und Mitgliederversammlung in Bonn eingeladen.

Gemeinsam mit der Referentin und Pflegesachverständigen Frau Döneke aus Pulheim wurden an beiden Tagen jeweils wichtige Aspekte zur Sicherstellung einer adäquaten Betreuung behinderter Kinder beleuchtet. Eng damit zusammenhängend ging es immer auch um die Frage, wie vor allem engste Familienangehörige notwendige Entlastung erhalten können. Ganz konkret wurde diskutiert, welchen Anforderungen die betroffenen Familien in der Bewältigung des Alltags gegenüber stehen – und wie sie personell und/oder finanziell durch einzelne Sozialträger, wie beispielsweise Kranken- und Pflegekassen, Kreise oder Sozialhilfe notwendige Unterstützung erhalten können.

Der Vortrag von Dr. Roland Uphoff, der auch in seiner Rolle als AKG-Vorsitzender vor Ort war, schloss hier thematisch an. Anhand einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.08.2018 (Az. VI ZR 518/16) zum Ersatz vermehrter Bedürfnisse bei schwerster Schädigung, hat Dr. Uphoff exemplarisch den Spielraum beleuchtet, der betroffenen Familien zur Verfügung steht. In seiner Entscheidung hatte der BGH hervorgehoben, dass ein Schwerstgeschädigter sich grundsätzlich nicht auf die Möglichkeit der Pflege in einer stationären Einrichtung verweisen lassen muss, nur weil dies kostengünstiger wäre. Eine detaillierte Zusammenfassung zum Urteil des BGH ist hier verfügbar.

Die teilnehmenden Familien konnten bei der gelungenen Veranstaltung mit abendlicher Einkehr durch den regen Austausch untereinander und der Möglichkeit zur Rücksprache mit dem Kanzleiteam Uphoff wertvolle Informationen mit nach Hause nehmen.

Ein Beitrag von:

Caterina Krüger
Fachanwalt für Medizinrecht,
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht

Die etwas anderen Fortbildungstage in Hannover

Publikum beim einer Veranstaltung
Bildquelle: shutterstock/Matej Kastelic

Expertenvorträge und rege Diskussionen

Die Fortbildungsveranstaltungen der Reihe „Geburtshilfe mal anders“ unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin sind erfahrungsgemäß gut besucht. In diesem Jahr fand die Veranstaltung, die sich in erster Linie an Ärzte und Hebammen richtet, unter dem Titel „Kontroversen. Kooperationen. Kasuistiken“ erneut im Friederikenstift in Hannover statt.

Eingeladen für Beiträge und zur Diskussion waren zahlreiche Chefärzte großer insbesondere geburtshilflicher Kliniken aus dem gesamten Bundesgebiet. Zwei Tage lang hatten die Fortbildungsteilnehmer die Möglichkeit, mit ausgewiesenen Experten zu diskutieren und ihre Standpunkte auszutauschen. Unter den Referenten waren renommierte Mediziner wie Herr Prof. Abele aus Tübingen, Herr Prof. Kehl aus Erlangen, Herr PD Dr. Schlembach aus Berlin und Herr Prof. Schild aus Hannover als Gastgeber der Veranstaltung

Mehrwert durch unterschiedliche Perspektiven

Im Rahmen des Blocks „Kooperationen“, der Experten unterschiedlicher Fachgebiete zusammen bringt, hatte ich die Möglichkeit, über die notwendige Aufklärung werdender Mütter zu referieren. Im Detail ging es um die Aufklärung von Schwangeren bei einer medikamentösen Geburtseinleitung sowie bei einer Geburtseinleitung nach einem bereits durchgeführten Kaiserschnitt. Während Herr Prof. Strauss, ehemaliger Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, dieses Thema aus medizinischer Sicht betrachtete, habe mich aus anwaltlicher Sicht dazu geäußert.

Wichtig ist mir zu betonen, dass unterschiedliche Standpunkte nicht ausschließlich konfrontativ aufeinanderprallen müssen. Es ist gut und sicherlich effektiver, wenn Vertreter verschiedener Disziplinen gemeinsam das Ziel verfolgen, die Geburtshilfe insgesamt sicherer zu machen. Dazu gehört für mich auch, die Ärzteschaft dafür zu sensibilisieren, welche Behandlungen aus juristischer Perspektive besonders risikoträchtig sind und zu Schaden bei Mutter und Kind führen können. Zentraler Punkt bei einer Einleitung der Geburt mit Medikamenten ist, dass die Gebärmutter-Narbe eines zuvor durchgeführten Kaiserschnitts aufreißen kann, wodurch Mutter und Kind in Lebensgefahr geraten. Für das Kind entsteht zudem ein hohes Risiko, schwer- oder schwerstgeschädigt zur Welt zu kommen.

Sicherheit ist oberstes Gebot

Im Rahmen meines Vortrags war es mir wichtig, klar aufzuzeigen, dass im Zweifelsfall von ärztlicher Seite immer der sicherste Weg gewählt werden soll und muss. Und dass eine Geburt nicht unter das Motto „es wird schon gut gehen“ gestellt werden darf. Dafür sind die dramatischen Folgen, die eine Fehlentscheidung oder Fehleinschätzung auf ärztlicher Seite haben kann, in unserer täglichen Kanzleiarbeit leider in vielen Fällen zu präsent.

Insgesamt war die Veranstaltung gerade auch durch den regen Austausch zwischen den Vertretern unterschiedlicher Disziplinen ein voller Erfolg und für alle Beteiligten ein Gewinn. Alle Referenten sowie das gesamte Programm können Sie hier einsehen.

Ein Beitrag von:

Axel Näther
Fachanwalt für Medizinrecht
Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht